Dienstag, 10. April 2012

Monatsthema März/April - Die kleinen Revolten der Rosy James

Ob man es glaubt oder nicht, ich hab tatsächlich mal ein Buch für die Monatsthemen der Lesenden Minderheit fertig, BEVOR der Zeitraum abgelaufen ist!!!

Thema für März und April war ja:
Lies ein Buch, das in Indien spielt!

Wie der Zufall so wollte, hatte mir eine Kollegin erst kurz davor dieses Buch empfohlen, und ich hab es gleich zu meinem Buch des Monats gemacht (auch wenn ich da noch mitten im "Sternenschimmer" steckte):
"Die kleinen Revolten der Rosy James" von Gloria Whelan (aus dem Englischen von Ute Mihr), erschienen im Gabriel Verlag.

Zum Inhalt:
Indien 1919. Rosalind James, 15, ist die Tochter eines britischen Offiziers und führt das behütete Leben einer höheren Tochter der Kolonialmacht. Und doch ist sie anders als die anderen Mädchen in ihrer Situation, denn im Gegensatz zu dem üblichen Vorgehen zu dieser Zeit schicken ihre Eltern sie nicht in die englische "Heimat" in die Schule, sondern lassen sie in Indien erziehen. Ihr älterer Bruder ist in der Schule in London an einer Kinderkrankheit gestorben, und dieses Trauma hat ihre Mutter nicht verwunden. Die Umstände führen dazu, dass sie mit deutlich mehr Kontakt zur indischen Bevölkerung aufwächst als üblich, ihre beste Freundin Isha ist die Tochter ihrer ayah, ihres Kindermädchens. Gemeinsam mit Isha streift sie (heimlich) über den Basar, sie sieht das Leben der Inder, liebt die Farben, die Gerüche, die Geräusche des Landes. Und von Isha erfährt sie auch von dem Traum vieler Inder von Unabhängigkeit. Noch kann sich das junge Mädchen nicht viel darunter vorstellen, doch dann trifft sie im Club (den sie mit ihrer Mutter ab und an besuchen muss) auf Mrs. Nelson, die sich für die Inder engagiert. Und sie trifft auch deren Sohn Max - einen jungen Offizier aus dem Korps ihres Vaters. Max ist nicht nur jung und sieht gut aus, er ist auch aufseiten der indischen Bevölkerung. Er erzählt Rosy von Gandhi und davon, was es bedeutet, nicht selbst über sein Leben bestimmen zu können. Und dieses Gefühl kann Rosy nur zu gut nachempfinden.
Dann erfährt sie von Isha, dass ein ehemaliger Hausangestellter, den ihr Vater aus wirtschaftlichen Gründen entlassen hat, sein Enkelkind an einen professionellen Bettler verkauft hat. Ihr graut davor, was dem Baby droht, denn auf dem Basar hat sie die verkrüppelten Kinder gesehen, die von "Kobra" zum Betteln gezwungen werden. Kurz entschlossen sucht sie den Verbrecher auf, kauft ihm das Kind ab - und sitzt nun mit einem Baby da. Einem indischen Baby, und noch dazu einem aus der untersten Kaste! Zum Glück kann Nadi (so nennt sie das Kind) im Waisenhaus von Mrs. Nelson unterkommen, doch mit dieser Aktion hat Rosy den Bogen überspannt - gegen den Widerstand ihrer Mutter schickt ihr Vater sie nach England, wo sie bei ihren Tanten leben soll.
Schon allein die Überfahrt ist ein Albtraum für Rosy, der Abschied von ihrem geliebten Indien fällt ihr unglaublich schwer. Und in London wird alles noch viel schlimmer, denn ihre Tante Ethyl führt ein strenges Regiment. Doch Rosys Willen nach Unabhängigkeit kann sie nicht brechen, im Gegenteil: Die jüngere Tante Louise braucht dringend jemanden wie Rosy, der sie darin bestärkt, gegen die herrische Schwester aufzubegehren ...

Meine Meinung:
Ich habe "Die kleinen Revolten der Rosy James" sehr gerne gelesen. Mir hat schon die Aufmachung, das stimmungsvolle Cover, die Typo, die Gesamtgestaltung sehr gut gefallen. Ich hab nicht viel Vorwissen über das Indien um Gandhis Zeiten. Klar weiß ich, wer Gandhi ist, was er getan hat und was er wie erreicht hat. Ich hatte ja schließlich Religion und Geschichte in der Schule  ;-) Doch die Zustände, gegen die er anging, blieben immer im Hintergrund und standen im Schatten der Person des Mahatma.
Gloria Whelan schafft es, dass man sich in Indien fühlt. Man läuft mit Rosy und Isha über den Basar, riecht das Curry, sieht die leuchtenden Farben, hört das Rascheln der Saris, spürt die Hitze der indischen Sonne, schmeckt die Asche, die vom Ganges aufsteigt ... Rosy ist eine super sympathische Protagonistin, der man ihre Leidenschaft für ihre Heimat, ihre Verbundenheit mit ihrer Freundin voll abnimmt, die aber auch - weil sie ja eben erst 15 ist - eine gehörige Portion Naivität mitbringt, was sie der Zielgruppe (denn auch dieses Buch ist eigentlich ein Jugendbuch) sicher gut nahebringt. Man bangt mit ihr um Nadi, das Baby, leidet, als sie aus Indien weggeschickt wird, ist entsetzt über die Zustände auf dem Schiff, fühlt Wut und Ohnmacht im Haus der Tanten. Und man kann nachvollziehen, wie ihr Verständnis für das indische Volk und den Wunsche nach Unabhängigkeit immer mehr wächst. Die Figur des Max' hätte es dafür meines Erachtens gar nicht unbedingt gebraucht, aber natürlich ist die zarte Liebesgeschichte immer schön in einem Buch für diese Leserschaft ;-). Außerdem muss es ja schon jemand "Eingeweihten" geben, der Rosy auf die wichtigen Figuren des indischen Widerstands hinweist.
Sehr geschickt zieht Gloria Whelan dann die Parallele zwischen dem Land Indien und Rosys Tante Louise, die zeitlebens hinter den Wünschen und Bedürfnissen ihrer großen Schwester zurückstecken musste. Diese hat ihre Vermählung verhindert, hält ihr Vermögen unter Verschluss, bestimmt, wie der Tagesablauf der Jüngeren aussieht, selbst das Essen und die Kleidung schreibt sie ihr vor. Hier die Analogie zum Verhältnis Kolonialmacht - Kolonie zu ziehen, fällt natürlich überhaupt nicht schwer. Und Rosy nimmt hier die Funktion Gandhis ein - sie ermutigt Louise dazu, sich zu wehren, ihren eigenen Weg zu gehen. Ohne Gewalt, ohne Streit: Sie schafft es, dass Louise mit ihr zurück nach Indien kommt (denn die Mutter hat sich doch wieder durchgesetzt und der Vater lässt Rosy nach nur wenigen Wochen in London wieder zurückkehren).

Und jetzt kommt meine große Enttäuschung an diesem Buch: An dieser Stelle hört die Geschichte auf. Das war mir persönlich einfach viel zu früh. Ich hätte unbedingt noch weiter lesen wollen, wie es mit der Unabhängigkeit Indiens und auch der Louises und Rosys weitergeht! So hat das eigentlich wirklich schöne und gut gemachte Buch einen schalen Nachgeschmack nach Oberflächlichkeit hinterlassen. Anstatt ein historischer Roman zu sein, der mit einer gut erzählten Geschichte zusätzlich viel Hintergrundwissen vermittelt, bleibt "Die kleinen Revolten der Rosy James" ein Abenteuerbuch vor historischer Kulisse, doch wird kein wirklicher Blick hinter diese Kulissen ermöglicht. Schade!! Darum gibt es von mir auch nur drei von fünf Garnröllchen, ich bin einfach immer noch ziemlich enttäuscht.



Auf der anderen Seite wäre ich wahrscheinlich wieder nicht im April fertiggeworden, wenn das Buch noch mal 200 Seiten gehabt hätte ;-)

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

super hammer mega geiles buch!!!!!